Interview mit dem Vorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung "Der herzkranke Diabetiker",

Prof. Dr. med. Diethelm Tschöpe,

Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

? Herr Prof. Tschöpe, Sie haben des Öfteren darauf hingewiesen, dass der Diabetes mellitus von Anfang an auch eine Gefäßerkrankung ist. Wie ist das zu verstehen?

! Zumindest gilt das in dieser Klarheit für den Typ 2-Diabetes, wo wir festzustellen haben, dass mit der Diagnose des Diabetes allzu häufig bereits Gefäßveränderungen im Bereich der Herzkranzarterien vorhanden sind, auch wenn der Patient noch asymptomatisch ist. Das macht letztlich das besondere Schicksal aus: Der Patient ist krank, er merkt es nicht und der behandlungsführende Arzt wird nicht aktiv, weil ihn der Patient nicht mit entsprechenden organischen Beschwerden konfrontiert. Das ist sozusagen die doppelte Gefährdung: vorhandener Organschaden, aber unterbleibende Intervention auf Grund der genannten Zusammenhänge.

? Können Sie bitte näher erläutern, welche Rolle Blutgerinnungsstörungen in diesem Zusammenhang spielen und was die Ursachen dafür sind?

! Man könnte lapidar sagen: "Wer süß ist, ist auch klebrig." Das soll darauf hindeuten, dass "süßes" Blut eben besonders zäh ist, dass eine zähe Flüssigkeit schlechter fließt, dass eine schlechter fließende Flüssigkeit einen Gerinnungsvorgang begünstigt. Und wir müssen wissen, wenn es zum Herzinfarkt oder auch zum Schlaganfall kommt, hat sich immer ein Blutgerinnsel gebildet, das die Organ versorgende Arterie verschließt und dann einen Infarkt auslöst – mit den entsprechenden dramatischen, häufig tödlichen Konsequenzen. Das heißt mit anderen Worten: Jeder Patient, der über ein besonders aktives Gerinnungssystem verfügt, ist potentiell stärker infarktgefährdet. Das gilt für Diabetiker. Und deswegen ist ganz besonders darauf zu achten, dass alle Faktoren, die diese überschießende "Blutklebrigkeit", Blutgerinnung fördern, normalisiert werden. Dazu gehört selbstverständlich der Blutzucker. Dazu gehören aber selbstverständlich auch andere Risikofaktoren mit ähnlichen Konsequenzen, wie beispielsweise erhöhte Blutfettwerte oder ein stark erhöhter Blutdruck. Die Konsequenz für den Patienten muss lauten, dass er nur durch eine möglichst zielwertgenaue Einstellung aller Risikofaktoren den Risikofaktor "Blutgerinnung" in den Griff bekommen kann. Dazu gehört allerdings auch eine prohylaktisch schützende Medikamentengabe mit Hemmern der Blutplättchenfunktion, die das Blut, mit anderen Worten, "flüssiger" machen.

? Diese Einschätzung insgesamt hört sich ja für den Diabetiker ja sehr Besorgnis erregend an. Hier stellt sich auch folgendes Problem: Wenn der Betroffene nicht klare, konkrete, praktisch umsetzbare Handlungsvorschläge bekommt, wie er seiner Gefährdung begegnen kann, wird er resignieren und gar nichts mehr unternehmen. Was kann er selber tun?

! Zunächst einmal ist es wichtig, die Problemzusammenhänge, die wir kennen, klar anzusprechen. Das heißt, sowohl in der Gesundheitsaufklärung für die Bevölkerung als auch in der einzelnen Behandlungssituation des Patienten bei seinem behandelnden Arzt ganz klar auf diese Zusammenhänge hinzuweisen, auch wenn der Patient sich subjektiv für gesund hält und noch über keine Schmerzen oder Beschwerden im klassischen Sinne klagt. Das Risikobewusstsein sowohl des Arztes als auch des Patienten muss geschärft werden. Das ist der erste Schritt.

Dieser Schritt führt zu der Aussage, dass diese potentielle Bedrohung entschärft werden kann, weil man sehr erfolgreich dem Patienten Strategien anbieten kann, wie er mit seinem Risiko umgehen und sich vor solchen ernsten Problemen schützen kann. Das fängt bei ganz einfachen Dingen an – wie einer Beratung zu einem gesunden Lebensstil, insbesondere gesunde Ernährung, viel Bewegung, Sport und hört bei einer sehr komplexen Intervention mit Medikamenten und manchmal auch mit entsprechenden Prozeduren wie Herzkatheter usw. auf.

Deswegen ist es wichtig, dass konkret angesprochen wird, was zu tun ist. Und hier müssen wir feststellen, dass in der Vergangenheit möglicherweise nicht immer alle Beteiligten optimal zusammengespielt haben. Das ist auch eine Funktion unserer Stiftung "Der herzkranke Diabetiker". Wir wollen mit Projekten diesen Informationsfluss zum Patienten hin in Gang bringen, wir wollen dem Patienten Angebote machen, sich zu informieren, aber auch Angebote machen, ganz aktiv etwas für seine Gesundheit zu tun. Da haben wir einiges auf den Weg gebracht und ich möchte darauf hinweisen, dass wir sehr dankbar sind, dass wir in diesem Jahr einen Weltdiabetestag unter dem Motto "Diabetes und Herz" haben, der quasi als Kristallisationspunkt Aktivitäten nach sich zieht, die dem Patienten auch ganz konkret weiterhelfen können. So fördert unsere Stiftung zum Beispiel Projekte in Zusammenarbeit mit Sportverbänden, bei denen sich betroffene Patienten in "Mitmachaktionen" ganz individuell informieren können über ihren eigenen Fitnessstand und darüber, welcher Sport ihnen Spaß macht und welcher für sie geeignet ist. Dabei können sie auch eine medizinische Anleitung erhalten. Das heißt, es geht darum, neben Information insbesondere Hilfsangebote für eine angemessene Versorgung und Prävention von Patienten aufzubauen und das ist eine Aufgabe, die wie ein Mosaik Steinchen für Steinchen wachsen muss. Aber wir haben mit der Gründung unserer Stiftung vor zwei Jahren damit begonnen und ich denke, wir sind auch auf diesem Weg schon ein Stück weit vorangekommn.

Vielen Dank für dieses Gespräch!

 

Kontakt: www.stiftung-dhd.de

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