Interview mit Univ.-Doz. Dr. Andreas Festa,

Oberarzt an der Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien

Frage: Sie haben sich im Rahmen Ihrer Forschungstätigkeit zum Thema "Insulinresistenz und Atherosklerose" mit Markern einer chronischen, subklinischen Entzündung beschäftigt. Worin liegt die Bedeutung dieser chronischen Entzündung?

A. Festa: Die chronische, subklinische Entzündung ist jüngst mit Atherosklerose in Zusammenhang gebracht worden. Prospektive epidemiologische Studien haben gezeigt, dass erhöhte Serumspiegel von Entzündungsmarkern (z.B. C-reaktives Protein oder Interleukin-6) mit einem erhöhten Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen, wie Herzinfarkt und Schlaganfall, einhergehen.

Frage: Was versteht man unter chronischer, subklinischer Entzündung?

A. Festa: Sie ist gekennzeichnet durch erhöhte Entzündungsproteine im Serum, und zwar in einem Bereich, den wir aus klinischer Sicht noch als Normalbereich bezeichnen würden. Dieser "obere Normbereich" bewegt sich für das C-reaktive Protein (CRP) etwa um 0,1 mg/dl. CRP hat sich hier als das "Vorzeige-Protein" der chronischen, subklinischen Entzündung etabliert. Zum einen, weil für das CRP viele überzeugende Studien vorliegen, zum anderen aber auch, weil hochsensitive standardisierte Assays verfügbar sind, die den angesprochenen oberen Normbereich sehr sensitiv erfassen.

Frage: Welche physiologische Bedeutung hat CRP?

A. Festa: CRP ist das klassische Akut-Phase Protein. Bei Entzündungen, aber auch bei Traumen, Operationen oder Verbrennungen werden diese Akut-Phase Proteine in der Leber produziert und in die Blutbahn freigesetzt. Ein Abfall dieser Proteine zeigt den Genesungsvorgang an. Die genaue physiologische Funktion des CRP ist bislang noch nicht restlos geklärt worden, obwohl das Protein bereits 1930 entdeckt und charakterisiert worden ist. Viele Eigenschaften sind jedenfalls auch für die Atherosklerose von Bedeutung: etwa die Aktivierung des Komplementsystems, die Freisetzung von Adhäsionsmolekülen, die Freisetzung von Gerinnungsfaktoren oder die Bindung an Lipoproteine.

Frage: Ist die chronische, subklinische Entzündung ein generalisiertes Geschehen? Welche Triggerfaktoren gibt es?

A. Festa: Wir verstehen dieses Phänomen als generalisiertes, systemisches Geschehen, wobei die Triggerfaktoren noch weitgehend unklar sind. Das Fettgewebe scheint hier eine besondere Rolle zu spielen. Die gemeinsame Endstrecke ist jedenfalls die Freisetzung der proinflammatorischen Zytokine (in erster Linie Interleukin-6), die dann die Synthese der Akut-Phase Proteine in der Leber induzieren.

Frage: Soll man CRP nun bereits in der Klinik bestimmen, um festzustellen, ob eine chronische Entzündung und somit ein erhöhtes Gefäßrisiko vorliegt?

A. Festa: Nein, derzeit noch nicht. Ich bin aber überzeugt, dass der Tag kommen wird. Einerseits zur kardiovaskulären Risikostratifizierung, i.e. zur Einschätzung des individuellen kardiovaskulären Risikos, andererseits gibt es auch deutliche Hinweise aus der jüngsten Literatur, dass bestimmte Medikamente, die wir in der Primär- oder Sekundärprävention einsetzen, besonders gut wirksam sind bei Personen mit Zeichen einer chronischen, subklinischen Entzündung (i.e. hohen CRP Spiegeln), z.B. Aspirin oder Statine.

Frage: In Ihren Studien konnten Sie auch zeigen, dass erhöhte CRP-Konzentrationen im Serum mit einer gesteigerten Insulinresistenz in Verbindung stehe.

A. Festa: Im Rahmen der Insulin Resistance Atherosclerosis Study (IRAS), einer multizentrischen epidemiologischen Studie, konnten wir einen derartigen Zusammenhang nachweisen. Die IRAS ist deshalb besonders geeignet, diese Frage zu erforschen, da anhand eines intravenösen Glukosetoleranztests eine direkte Messung der Insulinresistenz vorgenommen wurde. So war es möglich nachzuweisen, dass nicht nur Körperfett, Blutdruck und Blutzucker mit CRP-Werten korreliert waren, sondern auch die direkt gemessene Insulinresistenz. Vieles spricht demnach dafür, dass die chronische, subklinische Entzündung eine weitere Teilkomponente des Insulinresistenzsyndroms darstellt.

Frage: Sie präsentieren auch Daten, die nahelegen, dass Entzündungsproteine auch die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes voraussagen.

A. Festa: Ja, sehr richtig. Diesen Aspekt halte ich für besonders interessant. Neben Daten aus der IRAS gibt es hier mittlerweile Daten aus drei weiteren Populationen (ARIC, Women´s Health Study, Pima Indians), die übereinstimmend zeigen, dass erhöhte Serumkonzentrationen von Entzündungsproteinen (CRP, Fibrinogen, Interleukin-6) der Entwicklung eines Typ-2-Diabetes um Jahre vorausgehen. Das heißt, das zukünftige Diabetes-Risiko steigt bei gesunden Personen, die Zeichen einer chronischen, subklinischen Entzündung aufweisen. Dies könnte für die Prävention des Typ-2-Diabetes große Bedeutung erlangen.

Frage: Wie erklärt man sich den Zusammenhang zwischen Entzündung und Diabetesrisiko?

A. Festa: Hierzu gibt es bislang einige interessante Hypothesen. Dazu gehören der Einfluss des Immunsystems, die Synthese und Sekretion proinflammatorischer Zytokine aus dem Fettgewebe, insbesondere dem viszeralen Depot, sowie Mechanismen der endothelialen Dysfunktion.

Frage: Worin sehen Sie die klinische Bedeutung dieser Befunde, und welche Behandlungsmöglichkeiten leiten Sie daraus ab?

A. Festa: Zu dieser Frage sind in den letzten Monaten sehr vielversprechende und interessante Studien erschienen. Nehmen Sie zunächst die klassischen Entzündungshemmer, wie zum Beispiel Acetylsalicylsäure (ASS). Hier konnte gezeigt werden, dass bei Männern mit hohen CRP-Spiegeln die präventive Wirkung von ASS hinsichtlich Myokardinfarkt stärker ausgeprägt war als bei niedrigem Ausgangs-CRP. Dies weist darauf hin, dass für ASS neben der hemmenden Wirkung auf die Thrombozytenaggregation auch eine direkte Entzündungshemmung von Bedeutung sein könnte. Sehr interessante und zunächst überraschende Ergebnisse sind aber noch für zwei weitere Substanzgruppen publiziert worden: ACE-Hemmer und Statine.

Frage: Welche Bedeutung haben ACE-Hemmer für den Zusammenhang Entzündung – Atherosklerose – Diabetes?

A. Festa: In zwei randomisierten Studien (CAPPP, HOPE) über den Einfluss der ACE-Hemmer-Gabe auf kardiovaskuläre Ereignisse wurde jeweils eine geringere Diabeteshäufigkeit in der ACE-Hemmer-Gruppe registriert. Dies war zunächst völlig überraschend. Die Sache beginnt aber schlüssig zu werden, wenn man die oben zitierten Studien zur Entwicklung des Typ-2-Diabetes als Ausdruck einer chronischen Entzündung und/oder endothelialen Dysfunktion betrachtet. Experimentelle Studien weisen ja etwa darauf hin, dass ACE-Hemmer zirkulierende PAI-1-Spiegel absenken.

Frage: Und welchen Platz sehen Sie für die Statine in diesem Wechselspiel Entzündung – Atherosklerose - Diabetes?

A. Festa: Auch für die Statine werden aus experimentellen Studien antiinflammatorische und die Endothelfunktion verbessernde Eigenschaften postuliert. Es gibt auch klinische Daten, wonach Statine die CRP-Konzentrationen im Serum senken. Jüngst konnte ach gezeigt werden, dass Statine bei Personen mit hohen CRP-Werten besonders wirksam sind (NEJM, Juni 2001). Weiter war in einer der großen Statin-Präventionsstudien (WOSCOP) eine um 30 % niedrigere Diabetes-Inzidenz in der Verumgruppe zu verzeichnen.

Frage: Gibt es Daten auch zu den Thiazolidindionen?

A. Festa: Ja, auch hier wird eine antiinflammatorische Wirkkomponente angenommen, wobei die Mechanismen im einzelnen nicht geklärt sind; ein PPAR-Gamma vermittelter Effekt ist jedenfalls anzunehmen. Es ist nicht auszuschließen, dass die entzündungshemmende Wirkung auch Folge der Verbesserung der Insulinresistenz ist, die ja eine Hauptwirkung dieser Substanzgruppe darstellt.

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