Teil 6: Erleichterung und Sorgen
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Siegfried starrte auf die dicke rote Brille, die halb auf Giselas Stirn lag. Ihre Lippen waren leicht geöffnet und aus ihrem Mundwinkel rann ein dünner Speichelfaden. Sie schien einen angenehmen Traum zu haben, denn ein leichtes Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Neben ihr lag Frank, wie Gott ihn geschaffen hatte. Siegfrieds Gedanken begannen wie wild zu kreisen. Was war nur letzte Nacht passiert? Wie weit waren sie zu dritt gegangen? In diesem Moment schrillte das Telefon, das wie ein roter Damenschuh geformt war, auf Franks Colani-Nachttisch. Wie paralysiert hob Siegfried ab: "Hier, bei Stefan!" Die Stimme am anderen Ende fragte verunsichert: "Siegfried?" - Es war Karin! "Ja, Du?" - "Was habt Ihr denn gestern noch getrieben, das Du nicht mehr nach Hause gefahren bist? War denn Giselas Neueröffnung ein Erfolg?" - "Och ja" sagte Siegfried noch neben sich stehend.
Während diesem ergiebigen Gespräch erwachte Gisela und schmiegte sich sanft an Siegfried. Ihre Hand glitt in sein gelobtes Land, welches prompt den sonnigen Morgen begrüßte. Siegfrieds Zustand war nicht unbedingt förderlich für eine Konversation mit seiner Ehefrau. "Nun erzähl doch mal, wie wars denn? Gehts Dir gut, Du hörst Dich so schwach an?" - " Ach nööööö" war seine vielsagende Antwort. "Wann kommst Du denn nach Hause, die Kinder fragen schon nach Dir" - "Na bald" - "Na gut, wir warten auf Dich. Ich werde mal Gisela anrufen, ob Sie mit dem Abend zufrieden war." Siegfried schluckte und sagte nur "Bis später!". Sein schlechtes Gewissen regte sich. Seine Schläfe pochte. Ihm wurde heiß und kalt. Giselas Hand war inzwischen derart behende zu Werke gegangen, daß es kein zurück für Siegfried gab. Keuchend erreichte er den Punkt der Erlösung. Sein bärengleiches Gebrüll weckte Frank. Dessen verdutztes Gesicht war ein Anblick völliger Fassungslosigkeit. Er fragte noch etwas benommen: "Ist es schon elf?" Gisela rückte ihre Nina-Ricchi-Brille an die richtige Position warf einen Blick auf Franks chromefarbenen Quarzwecker. "Es ist halb zwölf, Süßer!" - "Dann macht mal weiter, ich mach schon mal Frühstück." Frank schwang sich aus dem Wasserbett und begann in der Küche zu werkeln. Siegfrieds Kopf hatte inzwischen ein ungesundes rot angenommen. Sich klebrig fühlend, ging er duschen.
Am Frühstückstisch sitzend, ein warmes Croissant kauend, fragte er: "Weiß jemand, was letzte Nacht passiert ist?" Gisela kreischte los. "Was, das weißt Du nicht mehr? Während ich Franks, von seinen starken Stößen verwöhnte, Hündin war, habe ich mich an Deinen Proteinen gelabt." Siegfried konnte Giselas Begeisterung für die vorabendlichen Ereignisse nicht teilen. Sich hastig die Krümel aud dem Bart streichend, sprang er auf und erklärte, daß er dringend an die Luft müsse. Frank lächelte milde zu Gisela und sagte: "Laß ihn, er hat Familie!" Gisela nickte nur und schlürfte ihren Milchkaffee. Frank schaute auf die Uhr und meinte: "Gisela, laß Dir Zeit, ich muß in die Klinik, heute kommt die Neue. War schön mit Dir, bis bald. Wir telefonieren."
Während Siegfried mit zittrigen Händen seinen Volvo gen Tannenhagen lenkte, arbeitete sein Hirn fieberhaft. "Hatte Gisela die Wahrheit gesagt? Und was sollte diese vagen Bilder vor seinem geistigen Auge mit Frank? Und warum hatte er Beschwerden beim Sitzen?
Würden sich die Ereignisse der letzten Nacht jemals vollständig aufklären? Hatten Frank und Siegfried ihre Freundschaft nun endgülig besiegelt? Wird Siegfried Karin seine Erlebnisse beichten? Wie groß wird die Oberweite von Franks neuer Kollegin sein?