Richtige Linsenauswahl kann Hornhautschäden vermeiden

Die Hornhaut besteht aus drei großen Gruppen von Zellschichten: dem Epithel (der Deckschicht), dem Hornhautstroma (der Zwischenschicht) und dem Endothel (der Abdeckung nach innen). Eine klare Hornhaut ist eine der entscheidenden Voraussetzung für gutes Sehen. Die ins Auge fallenden Lichtstrahlen müssen ungehindert die Netzhaut am hinteren Pol des Augapfels erreichen. Das ist nur möglich, wenn alle Kollagenfasern im Zentrum der Hornhaut gleichmäßig ausgerichtet sind. Verschieben sich die Strukturfasern der Hornhaut, z.B. durch eine Entzündung oder nach einer Verletzung, dann entsteht eine weißliche Narbe. Die Sicht wird schlecht, wie durch eine schmutzige Scheibe.

Wie jedes lebende Gewebe ist die Hornhaut auf ausreichende Energie-Zufuhr angewiesen. Energie-Lieferant ist der Sauerstoff, der über die Tränenflüssigkeit an die Hornhautzellen transportiert wird. Verbraucht wird die Energie besonders von den Endothelzellen, die ununterbrochen die laufend eindringende Flüssigkeit wieder aus der Hornhaut herauspumpen. Dadurch bleibt sie klar und dünn. Versagt der Pumpmechanismus durch Sauerstoff- und damit durch Energie-Mangel, dann quillt die Hornhaut auf wie ein Schwamm und wird milchig trüb. Das passiert z.B. wenn Kontaktlinsen getragen werden, deren Material einen zu niedrigen DK-Wert (siehe unten) hat, so dass nicht genügend Sauerstoff an die Hornhaut gelangen kann. In leichteren Fällen von Sauerstoff-Mangel ist die Quellung nur gering. Da der Kontaktlinsenträger aber selber zunächst nichts von der Veränderung bemerkt, besteht die Gefahr, dass er weiterhin diese Linsen trägt, und so entstehen chronische Stoffwechselstörungen. Ohne rechtzeitige Therapie führen sie zu einer bleibenden Verdickung der feinen zentralen Strukturen der Hornhaut, die nicht mehr rückbildungsfähig ist. Im Endstadium ist die Sicht verschwommen und milchig, selbst dann, wenn der Betroffene durch seiner Sehschärfe angemessene Brillengläser schaut.

Zwischen Hornhaut und Kontaktlinse besteht eine biologische Interaktion, das Hornhautgewebe reagiert auf das Kontaktlinsenmaterial. Entscheidend für die Gesundheit der Hornhaut ist die richtige Auswahl der Kontaktlinse - ihrer Parameter und ihres Materials. Es gibt keine ideale Linse für Jedermann, ideal kann nur die Linse sein, die exakt auf die Besonderheiten ihres Trägers abgestimmt ist. Sogar der Sauerstoffbedarf der Augen ist bei jedem Menschen anders.

Vielfalt der Linsentypen - Voraussetzung für individuelle Versorgung

Kontaktlinsen werden aus Kunststoffen gefertigt, die ganz unterschiedliche Eigenschaften haben. So unterscheidet man formstabile Linsen und weiche Linsen. Der große Vorteil der formstabilen Linsen: Ihre optische Abbildungsqualität übertrifft die der weichen, das gilt auch für ihre Verträglichkeit, die Komplikationsrate ist geringer. Obwohl die Anpassung formstabiler Linsen aufwendiger ist, bevorzugen Augenärzte diesen Linsentyp vor allem, wenn das Auge bzw. die Fehlsichtigkeit höhere Ansprüche an die Linse stellt.

Eine wichtige Materialkonstante bei Kontaktlinsen ist der DK-Wert, eine Messgröße für die Gasdurchlässigkeit. Sie ist bei Werten um 100 exzellent. Aussagekräftiger für die biologische Verträglichkeit ist der Wert für die Gasdurchlässigkeit in Relation zur Linsendicke, der DK/L-Wert. Die Augenärzte des Arbeitskreises Kontaktlinsen haben bereits in den 60er und 70er Jahren festgestellt und publiziert, dass Kontaktlinsen mit einem DK-Wert unter 20 bei langjährigem Tragen die Hornhaut schädigt. Nach diesen Erkenntnissen verlief die weitere Forschung und Entwicklung rasant. Bald standen formstabile Linsen zur Verfügung, die mit einem DK-Wert über 100 sogar beim Mittagsschlaf getrost auf dem Auge bleiben durften.

Weiche Kontaktlinsen werden vom Träger zumindest anfänglich als bequemer empfunden. Das ist der Grund, warum sie weltweit einen Marktanteil von 80 % haben. In diesem Segment brachten im Jahr 2000 die Silikon-Hydrogellinsen den Durchbruch zur optimalen Sauerstoffversorgung der Hornhaut, die bei weichen Linsen bisher wegen eines DK-Werts von höchstens 40 nicht gegeben war. Wassergehalt, DK-Wert und Linsendicke hängen von einander ab. Bei einem höheren Wassergehalt kann mehr Sauerstoff transportiert werden, nur ist die Linse weniger stabil. Damit sie für den Träger trotzdem handhabbar bleibt, muss das Material dicker sein, wodurch der Sauerstofftransport behindert und der DK/L-Wert verringert wird. Durch den Zusatz von Silikonkautschuk zum konventionellen Weichlinsenkunststoff wird nunmehr bei den Silikon-Hydrogellinsen ein DK-Wert um 100 und höher erreicht, so dass die Sauerstoffversorgung sogar unter geschlossenen Lidern garantiert bleibt. Der Träger darf also auch gelegentlich mit diesen Linsen schlafen.

Untersuchungen des Arbeitskreises Kontaktlinsen des BVA führten zu der Feststellung, dass die Zellstrukturen der Hornhaut während des Beobachtungszeitraums auch beim kontinuierlichen Tragen der Silikon-Hydrogellinsen unverändert blieben. Mit Hilfe der konfokalen Mikroskopie wurden die Hornhautzellen der Probanden in ca. hundertfacher Vergrößerung untersucht und die Befunde in regelmäßigen Abständen dokumentiert. Aufgrund der Ergebnisse kann gelegentliches Tragen der Linsen über Nacht erlaubt werden, allerdings ist zuvor eine gründliche augenärztliche Untersuchung erforderlich. Grundsätzlich bedarf es eines genauen Abwägens, für wen diese Silikon-Hydrogellinsen geeignet sind. Außerdem müssen alle drei bis sechs Monate regelmäßige und aufwendige Nachkontrollen erfolgen, um immer noch denkbare Hornhautschäden rechtzeitig zu erkennen.

In der augenärztlichen Praxis werden Kontaktlinsen nicht allein zur Korrektion von Fehlsichtigkeiten eingesetzt sondern auch als Therapeutikum z.B. um eine verletzte Hornhaut zu schützen und die Heilung zu beschleunigen. Auch hier können Silikon-Hydrogellinsen hilfreich sein. Daraus folgt, dass ein und dieselbe Linse positive wie negative Wirkungen haben kann: Einerseits ist sie geeignet, einen krankhaften Zustand zu beheben, andererseits muss der Augenarzt durch die individuelle Anpassung und ständige Kontrolluntersuchungen verhindern, dass am ursprünglich gesunden Auge krankhafte Veränderungen entstehen.

Zusammenfassung:

Kontaktlinsen korrigieren Fehlsichtigkeiten unmittelbar auf der Hornhaut. Dadurch wirken sie wie eine Barriere für den Gasaustausch mit der Luft. Die Hornhaut ist als lebendes Gewebe auf eine ungehinderte Sauerstoff-Zufuhr angewiesen, damit sie nicht aufquillt und eintrübt. Bei chronischem Sauerstoffmangel verdicken sich die Zellstrukturen, Stoffwechselschlacken lagern sich ein, die Sehschärfe verschlechtert sich. Eine Studie des Arbeitskreises Kontaktlinsen im BVA, zu der umfangreiche Untersuchungen mit dem konfokalen Mikroskop gehörten, hat gezeigt, dass Kontaktlinsen mit höchster Gasdurchlässigkeit während des Beobachtungszeitraums keine Veränderungen der mikroskopischen Schichten der Hornhaut hervorgerufen haben, obwohl sie gelegentlich auch über Nacht getragen wurden. Kontaktlinsenstress der Hornhaut kann mit diesen Linsen minimiert werden. Deshalb fordern die Augenärzte, dass bei der Auswahl der Kontaktlinsen die Gasdurchlässigkeit besonders beachtet wird. Regelmäßige Nachkontrollen in der Augenarztpraxis sind unerlässlich, sie beugen Komplikationen vor. Nur gesunde Augen tolerieren Kontaktlinsen-Stress, auch wenn er durch moderne Materialien erheblich reduziert wird.

Dr. Gudrun Bischoff
Bramfelder Chaussee 269
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