Viread® (Tenofovir Disoproxil Fumarat, TDF) wird in Kombination mit anderen antiretroviralen Substanzen bei virologischem Versagen zur Behandlung der HIV-Infektion eingesetzt. Diese Indikation beruht auf der Analyse der HIV-RNA-Viruslast und der Anzahl der CD4 Zellen in zwei kontrollierten Studien. In beiden Studien erhielten intensiv vorbehandelte HIV-positive Erwachsene, die trotz einer stabilen antiretroviralen Therapie eine nachweisbare Viruslast aufwiesen, Viread® zusätzlich zur bestehenden Therapie. Studien an nicht vorbehandelten Patienten werden zur Zeit durchgeführt, daher können zur Nutzen-Risiko-Abwägung bei diesen Patienten noch keine Aussagen getroffen werden. Es liegen keine ausreichenden Daten vor, die die Wirkung von Viread® bei einer klinisch fortgeschrittenen HIV-Infektion belegen. Bei der Entscheidung über ein neues Behandlungsschema für Patienten, bei denen eine antiretrovirale Therapie versagt hat, müssen die Mutationsmuster der verschiedenen Arzneimittel und vorangegangene Therapien beim einzelnen Patienten sorgfältig berücksichtigt werden. Ein Resistenztest – sofern verfügbar – kann angebracht sein.
- Viread® gehört zu einer neuen Wirkstoffklasse, den sogenannten Nukleotid-Analoga. Diese wirken über die Blockierung der Reversen Transkriptase, einem Enzym, das für die Replikation des HI-Virus entscheidend ist.
- Am 26. Oktober 2001 erteilte die US-amerikanische Food and Drug Administration Viread® die Zulassung.
- Im Mai 2001 hat Gilead die Zulassung Viread® bei der EMEA (European Agency for the Evaluation of Medicinal Products) beantragt. Die Zulassung wurde am 05. Februar 2002 erteilt.
Produkt Eigenschaften
- Eine Tablette am Tag zu einer Mahlzeit.
- VireadÒ 245 mg Filmtabletten enthalten 245 mg Tenofovir Disoproxil – dies entspricht einer Menge von 300 mg Tenofovir Disoproxilfumarat.
- In klinischen Studien senkte Viread® in Kombination mit anderenantiretroviralen Medikamenten die Viruslast über 24 und 48 Wochen signifikant und dauerhaft.
- Mehr als 1.000 Patienten wurden mit Viread® in kontrollierten klinischen Studien der Phasen I, II und III behandelt. Die Daten zur Verträglichkeit von Viread® stammen aus zwei Studien (902 und 907), in denen 653 intensiv vorbehandelte Patienten 300 mg Tenofovir DF (n=443) oder Placebo (n=210) über 24 Wochen erhielten. Ab Woche 24 erhielten auch die Patienten der Placebogruppe Viread®.
- Die häufigsten unerwünschten Ereignisse unter Viread® waren leichte bis mäßige Magen-Darm-Beschwerden, wie z.B. Übelkeit, Durchfall, Erbrechen und Blähungen. Laborabnormalitäten wurden in den klinischen Studien bei den mit Viread® behandelten Patienten in gleicher Häufigkeit wie im Placebo-Arm beobachtet.
- Resistenzen gegenüber Viread® wurden bisher nur selten beobachtet bzw. entstehen sehr langsam. Viread® selektiert in-vitro die K65R-Mutation. Viren, die diese Mutation aufwiesen, zeigten eine um das drei- bis vierfach reduzierte Empfindlichkeit für das Medikament. Zalcitabin, Didanosin und Abacavir können diese Mutation ebenfalls selektieren. In klinischen Studien entwickelten drei Prozent der Patienten eine K65R-Mutation. Die klinische Bedeutung der K65R-Mutation ist bisher nicht vollständig bekannt.
Demographische Daten
- Schätzungsweise 36 Millionen Menschen auf der Welt leben mit dem HI-Virus.
- Es wird geschätzt, dass 900.000 Menschen in den USA und 540.000 Menschen in Westeuropa mit HIV infiziert sind.
- Die derzeit verfügbaren antiretroviralen Therapien sind beschränkt und können die Lebensqualität der Langzeit-Patienten beeinflussen. Da die Anzahl der Menschen mit HIV und Aids stetig wächst und diese im Schnitt länger leben, wird der Bedarf an sicheren, wirksamen, verträglichen und einfach einzunehmenden Therapien immer größer.
Übersicht klinischer Daten
Phase I Studie 901 - Dosisfindung
- Die Studie 901 untersuchte die Sicherheit, Pharmakokinetik und die Wirksamkeit von vier unterschiedlichen Dosierungen von Tenofovir DF im Vergleich zu Placebo bei 49 teilweise vorbhandelten Patienten.
- Die Resultate zeigen, dass eine Monotherapie mit Tenofovir DF über 28 Tage mit einer durchschnittlichen Reduktion der HIV-RNA-Viruslast um 1,22 log10 Kopien/ml assoziiert ist.
- Unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten in gleicher Häufigkeit in der Verum- und der Placebogruppe auf.
Phase II Studie 902 – Dosisfindung und Intensivierung bei massiv vorbehandelten Patienten
- Die Studie 902 untersuchte die Sicherheit, Pharmakokinetik und Wirksamkeit von Tenofovir DF als Bestandteil einer Kombinationstherapie bei 189 intensiv vorbehandelten Patienten über einen Zeitraum von 48 Wochen.
- Patienten, die trotz einer bestehenden antiretroviralen Therapie eine nachweisbare Viruslast aufwiesen, wurden randomisiert und erhielten Tenofovir DF 75 mg, 150 mg, 300 mg oder Placebo zusätzlich zu ihrer bereits bestehenden Therapie.
- Die Patienten waren im Mittel über 4,6 Jahre antiretroviral vorbehandelt und wiesen vor Studienbeginn Resistenzen gegenüber allen drei Klassen der derzeit verfügbaren antiretroviralen Wirkstoffe auf. 94 Prozent wiesen Nukleosidische-Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NRTI)-Mutationen, 57 Prozent Protease-Inhibitor (PI)-Mutationen und 32 Prozent Nicht-nukleosidische-Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI)-Mutationen auf.
- Viread® 245 mg Filmtabletten (entsprechend 300 mg Tenofovir DF) senkte über 48 Wochen die Viruslast bei diesen antiretroviral vorbehandelten Patienten (n=43) dauerhaft und signifikant um 0,62 log10 Kopien/ml.
- Das Sicherheitsprofil der mit Tenofovir DF behandelten Gruppe war während der ersten, placebokontrollierten 24 Wochen identisch zu dem der Placebo-Gruppe. Bei den drei Gruppen mit unterschiedlichen Dosierungen von Tenofovir DF war über 48 Wochen kein Unterschied im Auftreten der Laborabnormalitäten von Grad 3 und 4 oder unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu verzeichnen. Auch die Abbruchraten in den drei Gruppen waren in etwa gleich: 11 Patienten (20 Prozent) in der 300 mg-Gruppe, 12 Patienten (24 Prozent) in der 150 mg-Gruppe und 14 Patienten (26 Prozent) in der 75 mg-Gruppe.
Phase III Studie 907 – Intensivierung bei massiv vorbehandelten Patienten
- Im Rahmen der Phase III Studie 907 wurden die Sicherheit und Wirksamkeit von Viread® in Kombination mit anderen antiretroviralen Medikamenten be 552 intensiv vorbehandelten Patienten untersucht.
- Die Patienten in dieser Studie waren mit einer mittleren Behandlungszeit von 5,4 Jahren bereits intensiv antiretroviral vorbehandelt. Wie aufgrund der vorangegangenen antiretroviralen Therapien zu erwarten, waren zu Studienbeginn bei 94 Prozent der Patienten Resistenzmutationen gegen NRTIs, bei 58 Prozent Resistenzmutationen gegen PIs und bei 48 Prozent der Patienten Resistenzmutationen gegen NNRTIs nachweisbar. Trotz einer bestehenden antiretroviralen Therapie hatten auch diese Patienten eine nachweisbare Viruslast.
Nach 24 Wochen
- Bei den mit Viread® behandelten Patienten (n= 346) wurde die Viruslast im Mittel um 0,61 log10 Kopien/ml gesenkt - verglichen mit einer Senkung um 0,03 log10 Kopien/ml in der Placebo-Gruppe (n=172). Dieser Unterschied war signifikant (p< 0.0001).
- Obwohl bei mehr als 90 Prozent der Patienten zu Beginn der Studie Resistenzmutationen nachweisbar waren, wurde die Viruslast über 24 Wochen bei 45 Prozent der Patienten im TDF-Arm unter die Nachweisgrenze von 400 Kopien/ml gesenkt, verglichen mit nur 13 Prozent der Patienten in der Placebogruppe (p< 0.0001).
- Bei 19 Prozent der mit Viread® behandelten Patienten wurde die Viruslast unter die strengere Nachweisgrenze von 50 Kopien/ml gesenkt. In der Placebo-Gruppe erreichten nur 1 Prozent der Patienten entsprechende Werte (p< 0,0001).
- Die zusätzliche Gabe von Viread® zu einer bestehenden HAART führte zu einer statistisch signifikanten Erhöhung der CD4-Zellzahl in der Woche 24 (p=0,0008).
- In der VireadÒ -Gruppe kam es während des gesamten Zeitraums von 24 Wochen in gleicher Häufigkeit wie im Placebo-Arm zu Nebenwirkungen und Therapieabbrüchen.
Nach 48 Wochen
- Die 48 Wochen-Studienergebnisse zeigen, dass es bei den Patienten, die zusätzlich zu ihrer bereits etablierten antiretroviralen Behandlung 300 mg Viread® (n=368) erhielten, zu einer signifikanten Reduktion der HIV RNA um 0,57 log10 Kopien/ml kam. Dieser Effekt war dauerhaft seit Woche 24.
- Das Sicherheitsprofil von Viread® stellte sich ähnlich dar, wie in dem Placebo-kontrollierten Abschnitt der 24 Wochen-Studie.
Virologische Daten aus der Studie 907
- Eine Substudie wurde mit 274 aus der Studie 907 randomisiert selektierten Patienten durchgeführt.
- Nach 48 Wochen wurden genotypische Ergebnisse für 145 der 274 Patienten (53 Prozent) ermittelt. Davon entwickelten 58 Patienten (21 Prozent) eine Resistenz gegen einen oder mehrere NRTIs. Innerhalb dessen wiesen 47 Patienten die weitverbreiteten Zidovudin (AZT)/Thymidin-Analoga-Mutationen (TAMs) auf.
- Die Entwicklung von Mutationen im offenen Abschnitt der Studie war in den ersten 24 Wochen vergleichbar mit der Placebo-Gruppe (22 Prozent). Dies deutet daraufhin, dass die meisten Mutationen sich unter der Hintergrundtherapie und nicht unter Viread® entwickelt haben.
- Die Patienten, bei denen es zu einer NRTI-Mutation kam, wiesen eine anhaltende Unterdrückung der Viruslast auf (HIV-RNA-Viruslast: mittlerer DAVG48 von –0,56 log10 Kopien/ml) .
- Nach Woche 48 war bei
insgesamt acht Patienten (drei Prozent) eine K65R-Mutation nachweisbar, die
mit einer reduzierten Empfindlichkeit gegenüber Tenofovir in Verbindung
gebracht wird. Diese Patienten zeigten eine große Variabilität
im virologischen Ansprechen, wobei drei Patienten eine Reduktion der Viruslast
von mehr als 0,6 log10 Kopien/ml aufrechterhalten konnten.
Phase III Studie 903 – nicht vorbehandelte Patienten
- Im Juni 2000 hat Gilead die Studie 903 initiiert, um die Sicherheit und Effektivität von 300 mg Tenofovir DF bei bisher nicht behandelten Patienten mit einer HIV-Infektion zu untersuchen.
- Die Studie vergleicht Tenofovir DF mit Stavudin (d4T) jeweils in Kombination mit Lamivudin (3TC) und Efavirenz. Beide Regime sind sogenannte PI-sparende Therapien, die nur eine geringe Tablettenlast aufweisen.
- Die Studie wurde im Januar 2001 mit insgesamt 601 Patienten in den USA, Südamerika und Europa begonnen. Erste Studienergebnisse werden im ersten Halbjahr 2002 erwartet.
Kurzzeitstudie 917 – nicht vorbehandelte Patienten
- Studie 917 war eine 21 Tage dauernde offene Studie zur Beurteilung der antiviralen Wirksamkeit von Viread® als Monotherapie bei nicht vorbehandelten HIV-infizierten Patienten
- In dieser Studie wurden 10 Patienten mit chronischer HIV-Infektion (9 Männer, 1 Frau) mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren hospitalisiert und erhielten anfänglich 300 mg Viread® einmal täglich als Monotherapie.
- In den ersten 72 Stunden wurden die HIV-RNA-Spiegel alle 6 Stunden überprüft. Nach der Entlassung wurden Patienten bis zum Tag 10 täglich untersucht, danach am Tag 12, 14 und 21.
- Bei Studienbeginn wiesen die Patienten eine durchschnittliche HIV-RNA-Viruslast von 4,3 log10 Kopien/ml auf (Streubreite: 3,7 bis 5,1). Nach drei Wochen konnte bei den mit Viread® behandelten Patienten eine durchschnittliche Reduzierung der Viruslast um 1,5 log10 Kopien/ml (Streubreite: 0,6 bis 2,7) festgestellt werden. Die zuvor ermittelte durchschnittliche Reduktion der Viruslast unter Viread® betrug -0,39 log10 Kopien/ml pro Tag (Streubreite: -0,24 bis -0,59). Die zuvor ermittelten anfänglichen mittleren Abnahmeraten betrugen -0,99 pro Tag bei einer hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART), mit Lopinavir/Ritonavir, Efavirenz, Tenofovir und Lamivudin sowie -0,34 log10 Kopien/ml pro Tag bei einer Monotherapie mit Ritonavir. Die relative Wirksamkeit von Viread® in der Monotherapie war um 15 Prozent höher als die von Ritonavir, gemessen in einer vergleichbaren Studie.
Vorbehandelte pädiatrische Patienten
- Gilead hat ein Programm zur Bewertung von Viread® in der Therapie von vorbehandelten pädiatrischen Patienten eingeleitet.
![]() AIDS. von Peter Duesberg, John Yiamouyiannis |