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Health Care NRW zur
aktuellen Ethikdiskussion
Wenn es um neue Technologien
geht, dann wurde in den zurückliegenden 10 - 20 Jahren die öffentliche Diskussion
in Deutschland in aller erster Linie durch Ängste, Risiken und Bedenken geprägt.
Die Folgen im Falle der Gentechnologie sind wohl bekannt - die meisten Unternehmen
orientierten sich mit ihren entsprechenden Forschungen ins Ausland und wir bemühen
uns heute mit enormen Aufwand unseren technologischen Rückstand wieder wettzumachen.
Nach einigen Jahren der Beruhigung wird nun wieder heftig diskutiert, z. B. beim
Thema "Stammzellen". Droht nun eine ähnliche Entwicklung wie Anfang der 90er Jahre
beim wirtschaftlichen Durchbruch der Gentechnologie, der damals nur in den USA
stattfand? Werden große Behandlungschancen für schwerkranke Patienten verpasst?
Die "Ethik", die nun erneut als argumentative Ausgangsbasis für geplante Restriktionen
der Forschung und Entwicklung dienen soll, ist dabei ein durchaus fragwürdiger
Begriff. Die "Ethik" als Maßstab des Handelns ist abhängig vom jeweiligen religiösen
sowie kulturellen Hintergrund und unterliegt darüber hinaus auch einem zeitlichen
Wandel. Nach B. Russel kommt dabei den "Folgen" einer Handlung, die "gut" oder
"schlecht" sein können, eine entscheidende Bedeutung zu. Was nun im Fall der Stammzellentherapie
als "gut" im Sinne des möglichen therapeutischen Nutzens für schwerkranke Patienten
oder eine wirtschaftliche Verwertung gelten könnte, kann aus der kontroversen
Sichtweise des Embryonenschutzes durchaus als "schlecht" bezeichnet werden. Ein
schwer zu lösendes Dilemma und egal wie man sich persönlich entscheiden mag, es
bleibt das ungute Gefühl etwas "Gutes" für die Patienten unterlassen oder ethisch-religiöse
Grenzen überschritten zu haben.
Um eine Lösung zu finden reicht eine pauschale Betrachtung nicht aus. Genau so
wenig wie es die eine, allgemein gültige Ethik gibt, gibt es "die" Stammzellentherapie.
Als Stammzelle wird jede noch nicht ausdifferenzierte Zelle eines Embryos, Fetus
oder geborenen Menschen bezeichnet, die Teilungs- und Entwicklungsfähigkeit besitzt.
Auf dem Weg der Spezialisierung nimmt diese Entwicklungsfähigkeit der Zellen allerdings
ständig ab. Während aus der "totipotenten" befruchteten Eizelle bis zum 8-Zellstadium
ein ganzer Mensch entstehen kann, entwickeln sich aus den "pluripotenten" Stammzellen
späterer Entwicklungsstadien "nur" noch bestimmte Gewebetypen des Körpers. Die
abschließend im erwachsenen Menschen anzutreffenden Stammzellen des Knochenmarks,
der Haut oder des Nervensystems sind in ihrem Potenzial also erheblich eingeschränkt,
können nur bestimmte Gewebe bilden und dienen der ständigen Regeneration von Geweben
und Organen.
Stammzellen könnten in den unterschiedlichsten medizinischen Bereichen genutzt
werden und finden auch bei bestimmten Erkrankungen bereits seit Jahren erfolgreich
Anwendung. Durch Krankheiten (z. B. Diabetes, Parkinson, Alzheimer etc.) oder
stark invasive Therapieformen (dazu zählt die Chemotherapie der Leukämie) werden
Zellen im Körper geschädigt oder zerstört. Stammzellen sind aller Voraussicht
nach in der Lage am Ort der Schädigung den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen.
Selbst die Generierung ganze Organe ist denkbar.
Zwei grundlegende Ansätze werden in der Stammzellforschung verfolgt:
Zum einen die Gewinnung organspezifischer Stammzellen, die aus dem Gewebe des
Patienten oder eines gesunden Spenders isoliert werden. Das dürfte wohl kaum ein
ethisches Problem darstellen. Der zweite Ansatz konzentriert sich auf pluripotente
Stammzellen, die sich zu jedem Gewebetyp entwickeln können. Sie scheinen nicht
auf die oben angeführte Art zu altern, wodurch sie beliebig lange in Kultur gehalten
werden könnten. Ihre Gewinnung durch künstliche Befruchtung, durch Zellkerntransfer
in entkernte Eizellen oder aus Keimzellen abgegangener oder abgetriebener Feten
ist einfacher, ethisch jedoch umstritten und bis auf das letztgenannte in Deutschland
bisher verboten.
In den USA ist die Gewinnung embryonaler Stammzellen zulässig, jedoch nicht unter
Verwendung öffentlicher Fördergelder. In Deutschland schränkt das Embryonenschutzgesetz
die Forschung insofern stark ein, dass die Gewinnung embryonaler Stammzellen zumeist
über totipotente Zellen verläuft, die laut Gesetz schon als Embryonen gelten und
daher geschützt sind. Nur die Verwendung fetaler Keimzellen ist zulässig, da der
Fötus nicht mehr unter dieses Gesetz fällt. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit
der deutschen Forschung ist dadurch auf diesem Gebiet stark gefährdet. Es ist
ethisch jedoch nicht unbedenklich, heute die Forschung zu untersagen und später
die Resultate der Entwicklung einzusetzen. Mit Hilfe der Stammzellforschung bereits
entwickelte Therapien dürften dann nach Deutschland importiert werden.
Auch die Gewinnung von Stammzellen aus Aborten dürfte ethisch unbedenklich sein,
da niemand geschädigt wird und gleichzeitig ein Nutzen für schwerkranke Patienten
entstehen kann.
Wirklich problematisch wird es erst dann, wenn Embryonen nur für die therapeutische
Anwendung gezielt "gezüchtet" werden sollen. Der mögliche Nutzen für schwerkranke
Patienten dürfte kaum ausreichen, die Tötung eines Embryos, der sich ansonsten
zu einem Menschen entwickeln würde, zu rechtfertigen.
Langfristig verfolgt die Forschung das Ziel, die Arbeit mit embryonalen Stammzellen
zu ersetzen und pluripotente Stammzellen aus spezialisierten Zellen zu gewinnen.
Bis dahin dürften aber zumindest bestimmte Forschungsarbeiten auch an embryonalen
Stammzellen erforderlich sein. Diese sollte man in Deutschland unter das Votum
einer zentralen Ethik-Kommission stellen (ähnlich wie bei Arzneimittelprüfungen)
und fallweise entscheiden.
Eine wichtige Bedeutung dürfte allerdings langfristig die Gewinnung sogenannter
individualspezifischer, embryonaler Stammzellen erlangen. Diese Methode könnte
die Möglichkeit eröffnen, aus einer Körperzelle eines Patienten und einer Eizelle,
deren Zellkern entfernt wurde, embryonale Stammzellen mit dem Erbgut des Patienten
zu erhalten. Aus diesen individualspezifischen Stammzellen ließen sich gesunde
Zellen und Gewebe erhalten, die bei Übertragung auf den Patienten keine immunologischen
Probleme, d. h. Abstoßungsreaktionen, hervorrufen. Salopp und zugegebenermaßen
überzeichnet formuliert, könnte damit in ferner Zukunft ein individuelles "Ersatzteillager"
entstehen. Solange man nur theoretisch über diese Zukunftsmöglichkeit nachdenkt
und außerdem als Patient nicht selber betroffen ist, fällt es leicht, ein solches
Szenario entschieden abzulehnen. "Ich bin aber überzeugt, dass wenn z. B. das
eigene Kind lebensbedrohlich erkrankt ist und diese Art des Klonierens Rettung
verspricht, man kaum jemanden finden wird, der da noch ethische Bedenken hat",
verdeutlicht Dr. RalfPiotrowiak, Geschäftsführer der Health Care NRW. "Die derzeitige
Ethikdiskussion sollte nicht zu theoretisch und abgehoben sein und sich pragmatisch
sowie realistisch orientieren." Ein solches therapeutisches Klonieren ist sicherlich
anders zu bewerten als das produktive Klonieren mit dem Ziel, einen gen-gleichen
menschlichen Klon zu erschaffen. Letzteres wird richtigerweise in Deutschland
und allen anderen Nationen strikt abgelehnt.
Über 80 forschende Unternehmen und Institutionen aus dem Gesundheitsbereich sind
Mitglied der Landesinitiative Health Care NRW. Als übergreifende Initiative des
Landes NRW hat sie das Ziel, die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit nicht
nur in der Region NRW zu stärken, sondern auch die Rahmenbedingungen für den Health
Care Sektor zu verbessern, Innovationen zu fördern und Kooperationen zwischen
den Partnern im Gesundheitsmarkt bundesweit zu initiieren. Mit Unterstützung des
Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen
haben sich die Aktivitäten der Landesinitiative auf die gesamte Health Care-Branche
in der Bundesrepublik erfolgreich ausdehnen können.
Weitere Informationen erhalten Sie bei:
Dr. Sylvia Deutschmann
Landesinitiative Health Care NRW e. V.
Hemmelrather Weg 201
51377 Leverkusen
fon 0214.707 90 83,
fax: 0214.707 90 89
e-mail: deutschmann@healthcare-nrw.org
www.healthcare-nrw.org
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