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Adrenogenitales Syndrom (AGS)

Das adrenogenitale Syndrom (AGS), auch als kongenitale adrenale Hyperplasie (CAH) bezeichnet, ist eine Gruppe von Erbkrankheiten, die durch eine Fehlfunktion der Nebennierenrinde bedingt sind. Die Nebennieren sind wichtige Drüsen, die auf den Nieren sitzen und verschiedene Hormone produzieren, darunter Kortisol, Aldosteron und androgene Hormone (wie Testosteron). Beim AGS kommt es zu einer Störung in der Produktion dieser Hormone, was zu einer Reihe von körperlichen und hormonellen Veränderungen führt.
Die Erkrankung wird meist genetisch vererbt und betrifft sowohl Männer als auch Frauen, wenn auch mit unterschiedlichen Auswirkungen. Das AGS kann in verschiedenen Schweregraden auftreten – von milden Formen, die erst im Erwachsenenalter erkannt werden, bis hin zu schweren Formen, die bereits bei Neugeborenen zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen können.

Ursachen des adrenogenitalen Syndroms

Das AGS wird fast immer durch Mutationen in den Genen verursacht, die für die Enzyme verantwortlich sind, die in den Nebennieren die Hormonproduktion steuern. Der häufigste genetische Defekt betrifft das 21-Hydroxylase-Enzym, das an der Produktion von Kortisol und Aldosteron beteiligt ist. Es gibt auch seltenere Formen des AGS, bei denen andere Enzyme betroffen sind.
  • 21-Hydroxylase-Mangel: Dieser Enzymdefekt ist für rund 95% der Fälle des adrenogenitalen Syndroms verantwortlich. Der Mangel führt dazu, dass die Nebennieren mehr androgene Hormone produzieren, was eine Vermehrung der männlichen Geschlechtsmerkmale zur Folge hat. Kortisol und Aldosteron werden hingegen nicht in ausreichendem Maße produziert, was zu weiteren hormonellen Ungleichgewichten führen kann.
  • Andere enzymatische Defekte: Weniger häufig sind Defekte bei anderen Enzymen wie 11β-Hydroxylase oder 3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase, die ebenfalls die Hormonproduktion beeinträchtigen und zu verschiedenen Symptomen führen.
Die Erkrankung wird autosomal-rezessiv vererbt, was bedeutet, dass ein Kind das Syndrom nur dann entwickelt, wenn es das defekte Gen von beiden Elternteilen erbt. Wenn beide Eltern Träger des defekten Gens sind, besteht eine 25%ige Wahrscheinlichkeit, dass das Kind das AGS entwickelt.

 
Nieren

Symptome des adrenogenitalen Syndroms

Die Symptome des AGS variieren stark je nach Schwere der Erkrankung und Alter des Betroffenen. Sie können von milden hormonellen Ungleichgewichten bis hin zu schweren, lebensbedrohlichen Symptomen reichen. Es gibt zwei Hauptformen des AGS: die klassische und die nicht-klassische Form.

1. Klassische Form

Die klassische Form des AGS tritt häufig schon im Kindesalter auf und ist durch schwere Symptome gekennzeichnet. Sie wird in zwei Haupttypen unterteilt:
  • Salzverlustform: Diese Form ist die schwerste und tritt auf, wenn die Produktion von Aldosteron stark beeinträchtigt ist. Dies führt zu einem Salzverlust, was zu starkem Dehydrieren, niedrigem Blutdruck, hohem Kaliumspiegel und in schweren Fällen zu einem Schock führen kann. Ohne sofortige Behandlung kann diese Form des AGS tödlich verlaufen.
  • Virilisierungsform: Bei dieser Form des AGS produziert der Körper übermäßig viele androgene Hormone (männliche Hormone). Dies führt bei weiblichen Säuglingen und Kleinkindern zu einer Vermännlichung der äußeren Geschlechtsorgane, was sich durch eine vergrößerte Klitoris, eine tiefe Stimme und möglicherweise eine unregelmäßige Menstruation im späteren Leben äußern kann.

2. Nicht-klassische Form

Die nicht-klassische Form des AGS ist milder und zeigt sich oft erst im Jugendalter oder Erwachsenenalter. Typische Symptome können sein:
  • Unregelmäßige Menstruation oder Amenorrhoe (Ausbleiben der Periode) bei Frauen.
  • Hirsutismus (Übermäßiger Haarwuchs) im Gesicht und an anderen Stellen, an denen Männer normalerweise Haare haben.
  • Akne und Haarausfall, die mit einer Überproduktion von Androgenen zusammenhängen.
  • Frühzeitige Pubertät und eine beschleunigte Knochenreife, was zu einer frühzeitigen Beendigung des Wachstums führen kann.
Weitere Symptome können je nach Hormonstörung auch hoher Blutdruck, Gewichtszunahme und Hormonungleichgewichte im Zusammenhang mit Aldosteron- oder Kortisolmangel umfassen.
== Diagnose des adrenogenitalen Syndroms ===
Die Diagnose des AGS wird in der Regel durch eine Kombination aus klinischen Untersuchungen und laborchemischen Tests gestellt:
  • Blut- und Urinuntersuchungen: Diese Tests messen die Konzentrationen von Elektrolyten, Kortisol, Aldosteron und androgenen Hormonen (wie Testosteron). Ein Mangel an Kortisol oder Aldosteron sowie erhöhte Androgenspiegel sind typische Hinweise auf das AGS.
  • Genetische Tests: Um den spezifischen Enzymdefekt zu identifizieren, der das AGS verursacht, kann eine genetische Untersuchung durchgeführt werden. Dies kann auch helfen, die Schwere der Erkrankung und die genaue Mutation zu bestimmen.
  • Neugeborenen-Screening: In vielen Ländern wird das AGS als Teil des Neugeborenen-Screenings diagnostiziert, insbesondere die Salzverlustform, die lebensbedrohlich sein kann. Ein erhöhter Wert von 17-Hydroxyprogesteron im Blut des Neugeborenen ist ein häufiges Indiz für ein AGS.
  • Ultraschalluntersuchungen: Bei Mädchen mit virilisierender Form kann ein Ultraschall der inneren Geschlechtsorgane durchgeführt werden, um den Zustand der Eierstöcke und Gebärmutter zu überprüfen.
== Behandlung des adrenogenitalen Syndroms ===
Die Behandlung des adrenogenitalen Syndroms richtet sich nach der Schwere der Erkrankung und den betroffenen Hormonen. In der Regel werden jedoch alle Formen des AGS mit einer hormonellen Therapie behandelt, die darauf abzielt, die Hormonproduktion zu regulieren und die Symptome zu lindern.
  • Glukokortikoide: Die wichtigste Behandlung besteht in der Einnahme von Kortikosteroiden (z. B. Hydrocortison oder Prednison), um den Mangel an Kortisol auszugleichen und die übermäßige Produktion von Androgenen zu verhindern. Diese Medikamente müssen regelmäßig eingenommen werden, um den Hormonhaushalt im Gleichgewicht zu halten.
  • Mineralokortikoide: Bei der Salzverlustform des AGS, bei der auch Aldosteron fehlt, werden zusätzlich Mineralokortikoide (z. B. Fludrokortison) verabreicht, um den Salzhaushalt zu regulieren und den Blutdruck zu stabilisieren.
  • Chirurgische Maßnahmen: Bei schweren Formen der virilisierenden Adnexitis, vor allem bei Mädchen, die eine männliche Genitalia aufweisen, kann eine operative Korrektur der äußeren Geschlechtsorgane erforderlich sein, um das äußere Erscheinungsbild zu normalisieren.
  • Psychologische Unterstützung: Besonders bei Mädchen und Frauen mit virilisierender Form des AGS kann eine psychologische Beratung hilfreich sein, um mit den sozialen und emotionalen Herausforderungen der Erkrankung umzugehen.
== Prognose ===
Die Prognose für Patienten mit AGS hängt von der Schwere der Erkrankung und dem Zeitpunkt der Diagnose ab. Wenn die Erkrankung frühzeitig erkannt und behandelt wird, können die meisten Betroffenen ein nahezu normales Leben führen. Bei schwereren Formen, wie der Salzverlustform, ist jedoch eine lebenslange Behandlung notwendig, um ernsthafte Gesundheitsprobleme zu vermeiden.