Medport Logo

Lexikon

MedPort - Lexikon
 
  
 
 

Autismus

Autismus, oder genauer gesagt „Autismus-Spektrum-Störung“ (ASS), ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die die Art und Weise beeinflusst, wie Menschen kommunizieren, interagieren und die Welt wahrnehmen. Es handelt sich dabei nicht um eine einzelne Erkrankung, sondern um ein Spektrum, das von milden bis hin zu schwerwiegenden Formen reicht. Autismus kann auf viele verschiedene Arten zum Ausdruck kommen, und jeder Mensch mit Autismus zeigt eine einzigartige Kombination von Eigenschaften.

Was ist Autismus?

Der Begriff „Autismus“ wurde erstmals 1911 von dem Schweizer Psychiater Eugen Bleuler verwendet, um eine Form der Schizophrenie zu beschreiben. Doch erst 1943 prägte der amerikanische Kinderarzt Leo Kanner den Begriff „Kanner-Autismus“, um eine Gruppe von Kindern zu beschreiben, die außergewöhnliche Schwierigkeiten mit sozialer Interaktion und Kommunikation hatten, aber gleichzeitig ein außergewöhnliches Interesse an bestimmten Themen oder Fähigkeiten zeigten. Heute sprechen Fachleute von einer Autismus-Spektrum-Störung, um die Vielzahl von Erscheinungsformen zu erfassen, die unter den Begriff fallen.
Autismus wird heutzutage als eine neurobiologische Störung betrachtet, die häufig schon im frühen Kindesalter diagnostiziert wird. Die genauen Ursachen von Autismus sind noch nicht vollständig verstanden, jedoch spielt eine Kombination von genetischen und umweltbedingten Faktoren eine Rolle.

Symptome und Merkmale

Autismus äußert sich in einer Vielzahl von Symptomen, die in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung vorkommen können. Die wichtigsten Merkmale, die bei vielen Menschen mit Autismus zu beobachten sind, umfassen:
  • Soziale Interaktion: Menschen mit Autismus haben oft Schwierigkeiten, soziale Signale zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Sie können zum Beispiel Augenkontakt vermeiden, Schwierigkeiten mit dem Erkennen von Gesichtsausdrücken haben und in sozialen Situationen eher zurückhaltend sein.
  • Kommunikation: Während manche Menschen mit Autismus verbal sprechen können, haben viele Schwierigkeiten mit der verbalen Kommunikation. Sie können Stereotypen oder repetitive Sprachmuster verwenden und Schwierigkeiten haben, Gespräche zu führen oder sich in verschiedenen sozialen Kontexten verbal auszudrücken. Einige Menschen mit Autismus sind auch nonverbal und nutzen alternative Kommunikationsmethoden wie Gebärden oder Kommunikationshilfsmittel.
  • Wiederholende Verhaltensweisen und eingeschränkte Interessen: Ein weiteres Kennzeichen von Autismus sind sich wiederholende Verhaltensweisen wie das Schwingen des Körpers, Handflattern oder das ständige Wiederholen von Bewegungen oder Geräuschen. Ebenso neigen viele Menschen mit Autismus dazu, sehr intensive, spezialisierte Interessen zu entwickeln, die sie in besonderem Maße faszinieren.
  • Sensorische Empfindlichkeiten: Viele Menschen mit Autismus reagieren empfindlicher auf Reize aus ihrer Umwelt, sei es in Form von Geräuschen, Licht, Berührungen oder Gerüchen. Diese sensorische Empfindlichkeit kann sowohl als Überempfindlichkeit als auch als Unterempfindlichkeit gegenüber bestimmten Reizen auftreten.

Vielfalt im Autismus

Autismus ist ein Spektrum, was bedeutet, dass die Ausprägung der Symptome stark variieren kann. Einige Menschen mit Autismus können relativ unabhängig leben, während andere auf umfangreiche Unterstützung angewiesen sind. Die Fähigkeiten von Menschen im Autismus-Spektrum reichen von hochfunktionalen Menschen, die akademische oder berufliche Erfolge erzielen, bis hin zu solchen, die aufgrund der Schwere ihrer Symptome intensive Unterstützung im Alltag benötigen.
Es gibt auch eine Theorie, die besagt, dass Autismus als eine Form der Neurodivergenz betrachtet werden kann, bei der das Gehirn eine andere Art von „Normalität“ repräsentiert. Diese Sichtweise betont, dass Menschen im Autismus-Spektrum nicht „geheilt“ werden müssen, sondern dass ihre Perspektiven und Fähigkeiten als Teil der menschlichen Vielfalt anerkannt werden sollten.

Diagnose und Behandlung

Die Diagnose von Autismus erfolgt in der Regel durch Fachleute wie Kinderärzte, Psychologen oder Neurologen, basierend auf Beobachtungen des Verhaltens und Entwicklungsstandes. Es gibt keine einfache Blutuntersuchung oder bildgebende Verfahren zur Diagnose von Autismus, und die Symptome müssen über einen längeren Zeitraum beobachtet werden.
Obwohl es keine „Heilung“ für Autismus gibt, gibt es zahlreiche Therapie- und Unterstützungsansätze, die den betroffenen Menschen helfen können, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und ihre Lebensqualität zu verbessern. Zu den gängigsten Therapieformen gehören Verhaltenstherapie, Sprachtherapie, Ergotherapie und die Förderung von sozialen Fähigkeiten. Viele Menschen im Autismus-Spektrum profitieren auch von strukturierten Programmen und der Unterstützung von Familienangehörigen sowie Fachkräften.

Inklusion und gesellschaftliche Perspektiven

In den letzten Jahrzehnten hat sich das gesellschaftliche Verständnis von Autismus verändert. Früher wurden autistische Menschen oft stigmatisiert oder als „anders“ angesehen, was zu Ausgrenzung und Missverständnissen führte. Heute gibt es jedoch eine wachsende Bewegung, die Autismus als Teil der neurodiversen menschlichen Vielfalt anerkennt. Das bedeutet, dass Menschen im Autismus-Spektrum als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft betrachtet werden, die trotz ihrer Unterschiede wertvolle Beiträge leisten können.
Inklusion und Akzeptanz sind in vielen Bereichen der Gesellschaft von zentraler Bedeutung, sei es in der Bildung, am Arbeitsplatz oder im sozialen Umfeld. Immer mehr Unternehmen und Bildungseinrichtungen setzen sich für die Integration von Menschen im Autismus-Spektrum ein, und es gibt Programme, die speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind.