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Alkoholentzugssyndrom

Das Alkoholentzugssyndrom (AES) ist eine Gruppe von körperlichen und psychischen Symptomen, die nach dem abrupten Absetzen oder der Reduktion von Alkohol bei Menschen auftreten, die über längere Zeit hinweg regelmäßig und in hohen Mengen Alkohol konsumiert haben. Es kann in verschiedenen Schweregraden auftreten und von leichten Symptomen wie Zittern und Unruhe bis hin zu schwerwiegenden und potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen wie Delirium tremens reichen. Die Symptome entstehen durch die plötzliche Entwöhnung von Alkohol, der eine dämpfende Wirkung auf das zentrale Nervensystem hat. Wenn der Körper plötzlich ohne diesen beruhigenden Einfluss auskommen muss, kann es zu einer Überaktivität des Nervensystems kommen, was die typischen Entzugssymptome hervorruft.

Ursachen des Alkoholentzugssyndroms

Der Hauptgrund für das Auftreten eines Alkoholentzugssyndroms ist der chronische Alkoholkonsum, der zu einer Toleranzentwicklung führt. Das bedeutet, dass der Körper immer größere Mengen an Alkohol benötigt, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Zudem kommt es zu einer physiologischen Abhängigkeit, bei der das zentrale Nervensystem sich an die beruhigende Wirkung des Alkohols gewöhnt hat. Wird der Alkoholkonsum plötzlich gestoppt oder erheblich reduziert, kommt es zu einem Ungleichgewicht im Nervensystem, das sich in den typischen Entzugssymptomen manifestiert.
Alkohol hat im Gehirn eine dämpfende Wirkung, insbesondere auf den Neurotransmitter GABA (Gamma-Aminobuttersäure), der hemmend auf die Aktivität von Nervenzellen wirkt. Gleichzeitig hemmt Alkohol die Wirkung von Glutamat, einem erregenden Neurotransmitter. Wenn Alkohol plötzlich fehlt, ist das Gleichgewicht dieser Neurotransmitter gestört: Es gibt weniger GABA-Aktivität und eine verstärkte Wirkung von Glutamat, was zu einer Übererregbarkeit des Nervensystems führt.

Symptome des Alkoholentzugssyndroms

Die Symptome des Alkoholentzugssyndroms können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und sich im Verlauf des Entzugs verändern. Man unterscheidet zwischen milden, moderat schweren und schweren Symptomen, die jeweils in einem bestimmten zeitlichen Rahmen auftreten.

1. Milde Symptome (leichter Alkoholentzug)

  • Zittern oder Handzittern: Eines der häufigsten frühen Symptome.
  • Angst und Unruhe: Die Betroffenen fühlen sich nervös, ängstlich oder gereizt.
  • Schwitzen: Besonders nachts kommt es häufig zu übermäßigem Schwitzen.
  • Kopfschmerzen: Häufig als Folge von Dehydratation und erhöhter Aktivität im Nervensystem.
  • Übelkeit und Appetitlosigkeit: Diese Symptome treten oft bereits wenige Stunden nach dem letzten Alkoholkonsum auf.
  • Schlafstörungen: Einschlafprobleme und häufiges Erwachen sind typisch.

2. Moderate Symptome

  • Starke Reizbarkeit: Die Betroffenen sind oft übermäßig empfindlich gegenüber Stress oder äußeren Reizen.
  • Verwirrung und Gedächtnisstörungen: Die Konzentration ist beeinträchtigt, und das Erinnerungsvermögen kann zeitweise eingeschränkt sein.
  • Erhöhte Herzfrequenz und Blutdrucksteigerung: Die Kreislaufsituation verschlechtert sich, was das Risiko von Herz-Kreislauf-Problemen erhöht.
  • Verstärkter Appetit auf Alkohol: Das Verlangen nach Alkohol ist zu diesem Zeitpunkt häufig sehr stark.

3. Schwere Symptome

  • Delirium tremens (DTs): Dies ist die schwerwiegendste Form des Alkoholentzugs und kann innerhalb von 48 bis 72 Stunden nach dem letzten Alkoholkonsum auftreten. Es ist durch Symptome wie Halluzinationen, extreme Verwirrtheit, sehr hohe Körpertemperatur, Krampfanfälle und schwere Kreislaufstörungen gekennzeichnet. Delirium tremens ist eine medizinische Notfallsituation und kann ohne sofortige Behandlung zu Tod oder bleibenden Schäden führen.
  • Krampfanfälle: Diese können als Folge der Übererregbarkeit des Nervensystems auftreten und sind eine ernstzunehmende Komplikation des Alkoholentzugs.
  • Starker Blutdruckabfall: Bei schwerem Entzug kann der Kreislauf massiv destabilisiert werden, was zu einem Schock führen kann.

 
Alkoholmissbrauch == Risikofaktoren ==
Nicht jeder, der regelmäßig Alkohol konsumiert, entwickelt ein Alkoholentzugssyndrom, aber bestimmte Faktoren erhöhen das Risiko, dass jemand schwere Entzugssymptome erleidet:
  • Lange Dauer des Alkoholkonsums: Personen, die über viele Jahre hinweg große Mengen Alkohol konsumiert haben, sind häufiger von einem schweren Entzug betroffen.
  • Schwere der Alkoholabhängigkeit: Wer stark abhängig von Alkohol ist, hat ein höheres Risiko für ein schweres Alkoholentzugssyndrom.
  • Frühere Entzugserscheinungen: Wer in der Vergangenheit bereits Entzugssymptome erlebt hat, ist anfälliger für wiederholte Entzüge.
  • Begleiterkrankungen: Menschen mit Lebererkrankungen, chronischen psychischen Erkrankungen oder anderen Gesundheitsproblemen haben ein höheres Risiko für schwere Entzugserscheinungen.
  • Alter und Geschlecht: Ältere Menschen und Männer sind tendenziell häufiger betroffen.

Behandlung des Alkoholentzugssyndroms

Das Alkoholentzugssyndrom sollte immer unter ärztlicher Aufsicht behandelt werden, da insbesondere schwere Entzugssymptome ernsthafte gesundheitliche Risiken bergen. Die Behandlung umfasst mehrere Aspekte:

1. Medikamentöse Therapie

  • Benzodiazepine wie Diazepam oder Lorazepam werden häufig eingesetzt, um die Symptome zu lindern, die durch die Übererregbarkeit des Nervensystems verursacht werden, und um das Risiko von Krampfanfällen und Delirium tremens zu verringern.
  • Antikonvulsiva wie Valproat können ebenfalls zur Vermeidung von Krampfanfällen gegeben werden.
  • Symptomatische Behandlung: Bei Übelkeit, Kopfschmerzen oder erhöhtem Blutdruck können entsprechende Medikamente verabreicht werden.

2. Überwachung und Flüssigkeitszufuhr

  • Eine intensive Überwachung der Vitalzeichen (Blutdruck, Herzfrequenz, Temperatur) ist notwendig, insbesondere bei schweren Entzugserscheinungen.
  • Eine angemessene Flüssigkeitszufuhr ist entscheidend, um Dehydratation zu verhindern und den Kreislauf zu stabilisieren.

3. Ernährungs- und Vitaminversorgung

  • Häufig besteht bei alkoholabhängigen Personen ein Mangel an Nährstoffen und Vitaminen, insbesondere Thiamin (Vitamin B1), was zu Wernicke-Korsakoff-Syndrom führen kann.
  • Die Verabreichung von Vitaminen und eine ausgewogene Ernährung sind daher Teil der Behandlung.

4. Psychosoziale Unterstützung

  • Neben der körperlichen Behandlung ist eine psychosoziale Unterstützung wichtig, um langfristige Rückfälle zu vermeiden.
  • Dazu gehören Therapien, Selbsthilfegruppen wie die Anonymen Alkoholiker und die langfristige Unterstützung bei der Alkoholrehabilitation.

Vorbeugung und Prognose

Die beste Vorbeugung gegen das Alkoholentzugssyndrom ist, eine Alkoholabhängigkeit zu verhindern oder frühzeitig zu behandeln. Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihren Alkoholkonsum zu kontrollieren, sollten rechtzeitig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, um einen Entzug unter sicheren Bedingungen zu planen.
Mit der richtigen Behandlung ist das Alkoholentzugssyndrom in den meisten Fällen gut kontrollierbar, und die Prognose ist bei milderen Formen in der Regel gut. Bei schwerem Entzug, insbesondere bei Delirium tremens, ist jedoch eine schnelle medizinische Intervention entscheidend, um schwerwiegende Komplikationen zu verhindern.